Ein rätselhafter Satz des Verteidigungsministers

Bundesverteidigungsminister de Maizière hat gestern in den Tagesthemen die Stationierung der Patriot-Raketen an der türkisch-syrischen Grenze mit einem Satz begründet, hinter dem sich, so ungereimt er auch klingen mag, nur Abgründe verbergen können. – Wer löst das Rätsel?

Gestern wurde in den Tagesthemen berichtet, daß die Patriot-Raketen an der türkisch-syrischen Grenze installiert und die deutschen Einheiten, die sie bedienen sollen, einsatzfähig seien. Ihr Auftrag, so der Sprecher, sei ein “Raketenschutzschirm über der vierhundertdreißigtausend-Einwohner-Stadt Kahramanmarash”. Dieser solle einen, so wörtlich, “zwar unwahrscheinlichen, aber unter extremen Umständen denkbaren” Chemiewaffenangriff aus dem rund hundert Kilometer entfernten Syrien abwehren können. UNTER EXTREMEN UMSTÄNDEN DENKBAR? Aha, denkt der Zuschauer, im Falle eines “zwar unwahrscheinlichen, aber unter extremen Umständen denkbaren”, also eines Chemiewaffenangriffs, der zwar unwahrscheinlich ist, sich unter extremen Umständen aber denken lasse, sollen diese Raketen Schutz bieten. Aber warum diese Vorsicht? – Warum ist gefordert, daß so ein Giftgasangriff bloß unter “extremen Umständen” denkbar sei? – Gilt mit Immanuel Kant, daß ich denken kann, “was ich will, wenn ich mir dabei bloß nicht selbst widerspreche”, dann bedarf es gar keiner “extremen Umstände”, so einen Giftgasangriff denken zu können, kann ich mir den doch jederzeit denken oder, weil alles, was ich denken kann, möglich ist, für möglich halten. Bei näherem Zusehen also erkennen wir, daß wir von der ARD regelrecht irregeführt werden. Denn liegt es im modallogischen Sinn überhaupt des Möglichen, daß, wenn immer jemand behauptet, es sei möglich, daß ein bestimmter Fall eintritt, er damit zugleich behauptet, daß es möglich sei, daß dieser Fall gerade nicht eintritt – dies eine Dualität, die zum Wesen des Möglichen gehört -, dann wird die absolute Vagheit der Begründung der Stationierung jener Raketen offenbar. DER IRRE SATZ DES MINISTERS Und die absolute Vagheit einer bloßen Möglichkeit in der Begründung bedeutet, daß mit der Begründung etwas nicht stimmt, daß uns da etwas vorgegaukelt wird, der wirkliche Grund aber nicht genannt wird, sondern geheim bleibt. Wollen wir das Rätsel lösen und herausfinden, was der wirkliche Grund für die Stationierung jener Waffen an der türkisch-syrischen Grenze ist, müssen wir uns einmal das über die Maßen merkwürdige Statement ansehen, das der für die Stationierung verantwortliche Minister der Verteidigung im genannten ARD-Bericht dazu abgibt. Herr de Maizière wörtlich: “Durch die Reichweite unserer Waffen ist sichergestellt, daß eine Flugverbotszone über Syrien oder ein sonst irgendwie gearteter Angriff aus Syrien von hier aus gar nicht ausgehen kann.” Dabei legt der Herr Minister eine irgendwie unpassend wirkende Betonung auf das Wort “kann”. Wer immer versucht, den obigen Satz des Ministers zu verstehen, wird von seinen Ungereimtheiten geradezu überrollt werden. Da hier eine “Flugverbotszone über Syrien” und ein “sonst irgendwie gearteter Angriff aus Syrien” durch ein sie verbindendes “oder” auf die gleiche Stufe gestellt werden, ist in dem Satz gesagt, daß eine Flugverbotszone über Syrien eine Art Angriff aus Syrien sei. Macht man sich indes klar, daß Patriot-Raketen dazu geeignet sind, Flugverbotszonen zu errichten, also syrische Flugzeuge in bestimmten Zonen daran zu hindern, zu fliegen, und so etwas gar kein irgendwie gearteter Angriff “aus Syrien”, sondern nur ein NATO-Angriff “auf Syrien” wäre (wodurch Deutschland völkerrechtlich übrigens nebenbei in einen Krieg einträte), dann hat der Minister den Sachverhalt gewissermaßen seitenverkehrt dargestellt. Vollends rätselhaft wird es, wenn der Minister behauptet, daß Flugverbotszonen und andere Angriffe aus Syrien “von hier aus” – “aus Syrien von hier aus”? – gar nicht ausgehen könnten. Bleibt es ein Rätsel, wie Angriffe aus Syrien zugleich Angriffe “von hier aus” sein können sollen, ist es sicher beruhigend, wenn gesagt wird, daß solche Angriffe von Syrien von hier aus gar nicht ausgehen können, dies sei “durch die Reichweite unserer Waffen … sichergestellt”. DER GUTE SINN DER FALSCHEN FORMULIERUNG Wer auch immer meint, der Minister habe hier eben bloß falsch formuliert, sollte sich klarmachen, daß es einen guten Sinn der sogenannten falschen Formulierung gibt. Denn einem inneren Gesetz des Sprachgebrauchs folgend, werden, wann immer sich jemand täuscht oder jemanden täuschen will, solcherlei Selbst- und Fremdtäuschungen selbst ihren sprachlichen Ausdruck finden. Im Grunde also liegt die Wahrheit auf der Straße, es fehlt nur der Mut, sie aufzuheben. – Soll dies mit jenem unsäglichen Satze des Ministers geschehen und die Wahrheit offenbar gemacht werden, die er gerade verbergen zu wollen scheint, sollten wir das Ausgesprochene als Bruchstücke eines größeren Satzgefüges verstehen, bei dem bestimmte Teile eben unter Verschluß gehalten wurden. Schreiben wir den Satz einmal so auf, daß er als ergänzungsfähig eingesehen wird: “Durch die Reichweite unserer Waffen … ist sichergestellt … daß … eine Flugverbotszone über Syrien … oder … ein sonst irgendwie gearteter … Angriff aus Syrien … von hier aus … gar nicht … ausgehen kann.” WER LÖST DAS RÄTSEL? Mein Vorschlag lautet: Laßt uns doch gemeinsam ein Puzzle versuchen und Ausdrücke oder Sätze suchen oder erfinden, die anstelle des ”…” in den obigen Torso eines in wesentlichen Stücken verheimlichtes Gefüges eingesetzt werden können. Den Hintergrund einer Suche nach passenden Einsatzstücken in jenem Rätsel könnte der Umstand bilden, daß die Führung der Nato schon seit Monaten einen Krieg gegen Syrien plant, worauf schon einmal in folgenden Beiträgen aufmerksam gemacht worden war: Nato-Führung plant Krieg gegen Syrien Bundestag an Kriegsvorbereitungen beteiligt Ich wünsche viel Spaß bei der Auflösung.  
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