
Weil das für Allah reservierte arabische
al-quddûs mit »heilig« übersetzt werden kann, wollen deutschsprechende Muslime es (sich) verbieten, die auf arabisch so genannten
awliyâ’, die »Freunde (Gottes)«, auf deutsch »Heilige« zu nennen. – Hier soll gezeigt werden, daß, wer jenem Vorschlag folgt,
nicht frommer wird, sondern nur schlechteres Deutsch spricht, und es nur umgekehrt Sinn hätte, davor zu warnen, das arabische
quddûs in allen Zusammenhängen zu gebrauchen, in denen das deutsche »heilig« einen guten Sinn bezeugt.
Spricht man unter Muslimen über »Heilige«, kommt sofort Kritik. Das Wort dürfe man nur für Allah verwenden: »Denn Heilig ist für mich«, so wird gesagt, »nur Allah. Wie einer seiner 99 Namen bestätigt.
al-quddûs = Der Heiligste. Also, welcher Sterbliche will sich mit Allah auf eine Stufe stellen?« Derselben Meinung ist auch ein Bruder aus Trebbus, der meint: »Obwohl das Wort
Weli immer wieder mit ,Heiliger‘, der ,Heilige‘,
Auwliyah mit ,die Heiligen‘, übersetzt wird, ist diese Übersetzung zu verwerfen, zumal der Begriff eindeutig besetzt ist und sich der Vergleich mit den ,Heiligen‘ der kath. Kirche zwangsläufig ergiebt.«
So sehr der Vorschlag zur Regelung des Sprachgebrauchs auf den ersten Blick auch einleuchten möchte, habe ich mit ihm ein Problem, und viele in Deutschland lebende Muslime werden es mit mir teilen, besonders diejenigen, die Deutsch als Muttersprache sprechen und mit deren Vielschichtigkeit und Feinheiten vertraut sind. Denn, einmal näher besehen, erweist sich jener Versuch der Sprachregelung als unangemessen, irreführend und unbarmherzig. Wer könnte behaupten, daß, nur weil das für Allah reservierte
quddûs im Deutschen
zur Not mit »heilig« oder »am heiligsten« übersetzt wird, dieses umgekehrt mit
quddûs gleichgesetzt und ansonsten aus deutsch-muslimischem Sprachgebrauch verbannt werden müßte?
Sieht man genauer hin, erweist sich das gerade Gegenteil als richtig:
Es sollte davor gewarnt werden, das arabische»quddûs«
in allen Zusammenhängen zu gebrauchen, in denen das deutsche »heilig« einen guten Sinn hat. Mehr nicht.
Vom Wort »heilig« im Deutschen gilt genau dasselbe, was der griechische Philosoph Aristoteles bei Untersuchungen der Bedeutung von Wörtern immer wieder für so viele festgestellt hatte, nämlich
pollachos leggetai, es wird in »vielfacher Weise ausgesagt«. Wir kennen die »Heiligen drei Könige«, die »Heilige Mutter Maria«, die »Eisheiligen«, wir kennen die »Heiligen Bücher«, die »Heilige Schrift«. Einige haben noch ein »Heil Hitler!« im Ohr. Wir kennen die Regel des »Heiligen Benedikt von Nursia«, der vor der Zeit des Propheten Muhammad gelebt hat, auf dem der Friede sei, dessen Benediktiner-Orden, so verstanden, älter ist als der Islam. Wir kennen »Abraham von Sancta Clara«, Freunde von uns wohnen in »Sankt Blasien« im Schwarzwald. Nein, es ist völlig falsch, gewachsene Sprache im Sinne jenes oben erwähnten Verdikts so gravierend zu reglementieren, daß das Wort »heilig« nur mit Blick auf Allah verwendet werden darf. Wer diesem Vorschlag folgen will, kann das ja versuchen, er wird dabei aber kein besserer Muslim,
er wird dadurch nicht frommer, er spricht dabei nur schlechteres Deutsch. Schlimmer noch, er entwindet in größter Brutalität dem deutschen Sprachgebrauch jenes Zeugnis des Numinosen, das so vielfältig ist. – Die Frage lautet, ob nicht umgekehrt das vielschichtige deutsche »heilig« vor dem arabischen
quddûs geschützt werden muß.
Was die auf arabisch so genannten eben schon erwähnten
awliyâ’, die »Freunde (Gottes)«, betrifft, die wir auf deutsch »Heilige«, auf englisch »saints« oder auf lateinisch »sancti« nennen, so hatte eine Rezensentin der muslimischen Frauenzeitschrift
HUDA in der Besprechung des Buches von Hagar Spohr,
Die Reise nach Mekka, einen solchen Sprachgebrauch gerügt: Es gäbe keine »Heiligen« im Islam, sondern nur
awliyâ’, was »Freunde Gottes« bedeutete.
Da kann ich nur sagen: Ja Kinder, was ist denn das? Sollen wir als deutsche Muslime jetzt gezwungen werden, aufzuhören, Deutsch zu sprechen, wie es beispielsweise der Bruder Amir Zaidan in seiner irreführender Weise
tafsir genannten Koranübersetzung übernimmt er häufig einfach das arabische Wort, statt es ins Deutsche zu übersetzen, ja ausdrücklich vertritt? Und sind wir genötigt, anzufangen, Arabisch zu sprechen, bloß weil aus arabischen Ländern Leute zu uns kommen, die zwar Arabisch, aber nicht richtig Deutsch sprechen? – [vgl. dazu genauer eine Analyse der Weigerung, die Feinheiten der deutschen Sprache zu würdigen am Fall des Wortes
“Glaube”] – Als besonders schmerzhaft empfinde ich hier die Haltung einiger muttersprachlicher Deutscher unter den Muslimen, die die Sache nicht ordentlich durchschauen.
Natürlich gibt es Heilige, die auf arabisch »awliyâ’« genannt werden. Das Wort »Heilige« steht im Deutschen eben in ganz anderen Zusammenhängen als jenes
quddûs oder
qiddis oder
kaddesch im Arabischen oder Hebräischen, zum Beispiel in schönem etymologischen Zusammenhang mit dem »Heil«, der »Heilung« und dem »Heilsamen«. Man sagt im Deutschen: »Das zerbrochene Spielzeug ist wieder heil!«
Al-hamdu li-llah ist das zerbrochene Spielzeug wieder heil. Diese Konnotationen hat das Wort
awliyâ’ als Plural von
walî nicht, was ja »Freund« bedeutet. Aber es ist doch auch für Muslime eine wunderbare Bereicherung, wenn die deutschsprachigen
awliyâ’, nämlich die so genannten »Heiligen«, sich in der Sprachfamilie des Gegenteils von »zerbrochen« oder »kaputt« aufhalten. Das ist doch wahr und gut und schön!
Welch unbarmherziger Mensch, der uns den Gebrauch der deutschen Sprache verzichten machen wollte, die so segensreich das »Heilende« und »Heilsame« konnotiert, wenn sie von jenen wunderbaren Menschen spricht, die der Araber
awliyâ’ nennt! Jener Vorschlag, auf die Verwendung des Wortes »heilig« zu verzichten, weil »heilig« gleichbedeutend mit
quddûs (
qiddis) wäre und das nur für Allah gelte, erweist sich, näher besehen, als unsinnig und läuft in der Halsstarrigkeit, mit der er vertreten wird, auf eine Art von Sprachfaschismus hinaus.
Nein, es ist falsch und dumm, das Wort »heilig« im Sinne des arabischen
quddûs zu verkürzen, da es in vielfachem Gebrauch der deutschen Sprache seinen Segen, sein »Heil« entfaltet. Statt eine Vokabelbedeutung von
quddûs, nämlich »heilig« zu nehmen und seinen Gebrauch im Sinne von
quddûs zu beschränken, ohne den lebendig gewachsenen vielfältigen Gebrauch des Wortes »heilig« zu respektieren, gelte es, das arabische Wort
quddûs in seiner Etymologie einmal aufzuschließen und im Rahmen seiner Familienähnlichkeiten näher zu bestimmen. So wäre es richtig. Gerade weil
al-quddûs einer der 99 Schönen Namen Allâhs ist, sollte man besonders sorgfältig prüfen, ob das vielschichtige »heilig« überhaupt das rechte deutsche Wort für es ist, – daran sind deutliche Zweifel angebracht – und im übrigen davor warnen, in bezug auf die Heiligen oder die Heiligen Schriften oder in bezug auf sonst alles mit dem Wort »heilig« Bezeichnete das Wort
quddûs zu verwenden. Mehr aber darf, unter Brüdern (und Schwestern), wohl nicht erlaubt sein.
Vgl. auch:
Der Glaube, der aus dem Herzen kommt.
Es gibt sehr viel Dialog zwischen Judentum und Christentum, sehr viel Dialog zwischen Christentum und Islam, aber Judentum und Islam – diese Dialog-Ebene, die fehlt mir noch.
Es gibt sehr viel Dialog zwischen Judentum und Christentum, sehr viel Dialog zwischen Christentum und Islam, aber Judentum und Islam – diese Dialog-Ebene, die fehlt mir noch.
Interessant ist, dass der Heilige Geist vor allem dann erwahnt wird, wenn es um Jesus geht, z. B. um die Ankundigung eines Sohnes fur Maria.